Dienstag, 8. Dezember 2009

Indische Institutionen

Mittlerweile sind wir auch mit öffentlichen indischen Einrichtungen vertraut; in einige ein kleiner Einblick:

Bewohnermeldeamt
Vor dem Gebäude ist eine runde Grünfläche, darum herum Platz zum Parken. Wir steigen aus und gehen durch den Eingang, an dem gerade gebaut wird und Bauarbeiter mit nackten Oberkörpern Matsch glatt streichen. Die Halle ist dunkel, die Korridore sind schmutzig. Wir kommen in einen langen Flur, der an einen Kellergang erinnert, und gehen schließlich in das einzige Büro mit lateinischen Schriftzeichen: "International Guests". In dem winzigen Raum sitzen drei Männer hinter zwei Metalltischen, die mit vergilbten Akten voll geladen sind. Dicht hinter ihnen stehen klapprige Metallregale, in denen sich viele weitere gewellte, gelbliche Papiere befinden. Wir setzen uns auf Stühle, die so eng stehen, dass wir mit unseren Knien fast den Tisch des Beamten vor uns berühren. Ein bisschen wird auf Kannada geredet. Schließlich erhalten wir ein Formular. Ein paar Fragen werden uns gestellt, es wirkt als ob eher aus persönlichem Interesse, mehrfach wiederholt der Beamte, dass das Formular vierfach ausgefüllt werden soll, mehrfach bejahen wir höflich und verlassen bald das dunkle, triste Gebäude.




Optiker
Der erste Optiker, den wir aufsuchen ist klein, aber modern. Wir lassen unsere Schuhe draußen und frieren ein wenig wegen starker Klimaanlage. Das Bedürfnis harte Kontaktlinsen zu bestellen, kann er nicht nachvollziehen und er versucht uns, weiche Linsen schmackhaft zu machen: Harte seien altmodisch, weiche viel komfortabler.
Doch bald gibt er auf und telefoniert mit anderen Optikern, um sich nach der Möglichkeit, harte Linsen zu bestellen, zu erkundigen. Wir danken und machen uns auf den Weg zu einem zweiten Optiker. Dieser ist größer, mehrere Brillenmodelle hängen aus und eine Metalltreppe führt in ein zweites Stockwerk. Wieder werden weiche Kontaktlinsen angepriesen. Oben in einem schmutzig wirkenden, kargen Raum mit metallenen Geräten und nicht funktionierendem Waschbecken wird ein Sehtest mit hoch ästhetischen Brillengestell durchgeführt. Doch wegen für Inder untypischer Größe koennen keine der durch einen Spiegel auf die gegenüberliegende Wand projizierten Buchstaben erkannt werden und alle Fragen nach Sichtbarkeit werden erst einmal verneint. Wir beschließen weiche und harte Kontaktlinsen zu nehmen und die weichen gleich einzusetzen. Ans Hände Waschen denken die Inder nicht, doch auf die geäußerte Bitte gehen sie ein und in einer voll gestellten Kammer wird schließlich sehr viel Waschmittel und Wasser aus einem Eimer über die Hände gegossen. Die Kontaktlinsen fallen raus, man merkt, dass der Optiker keine Ahnung von der Handhabung hat. Alles ist verschwommen. Ein weiterer inkompetenter Sehtest wird durchgeführt, diesmal vom Sohn des Optikers, der wie stolz vom Vater mitgeteilt, ein richtiger Augenarzt ist. Bei dem Versuch zu helfen, fällt ihm die Linse auf den Boden. Danach brennt sie im Auge. „No Problem, no Problem“ hören wir von allen Seiten. Es sei lediglich eine Sache der Gewöhnung.


Post
Voll gepackt mit Briefen und Päckchen suchen wir die lokale Post auf, die sich als offener Raum mit Tischen und klapprigen Regalen herausstellt. Drei Angestellte lächeln uns an, wir sollen doch Platz nehmen, auf dem einzigen zur Verfügung stehenden Stuhl. Wir warten, schließlich wird auf einer Plastikwaage gewogen, lange in gelblichen Tabellen nachgeschaut, etwas auf die Umschläge geschrieben und dann beginnt die 40minütige Klebaktion. Erst will man uns mit der Aussage, es seien nicht genug Briefmarken vorhanden, auf den nächsten Tag vertrösten, doch dann werden aus allen möglichen Mappen Briefmarken herbei gebracht und alle helfen mit diese mit einer Klebepaste und Pinsel auf zukleben. Zettel werden ausgefüllt, mehrere Sticker und Stempel auf die ohnehin schon vollkommen mit Briefmarken bedeckten Briefe gedrückt. „See you“ rufen uns die strahlenden Inder zum Abschied zu.



Sonntag, 6. Dezember 2009

Zwischen Tradition und Moderne

Zwischen Tradition und Moderne
oder: die zwei Indiens und wir :)

Wir sitzen in dem Haus einer indischen Familie und nehmen an einem Treffen der Selbst-Hilfe-Gruppe teil, um uns herum lauter Inderinnen in bunten Kleidern, die in Kannada durcheinander reden, sie erzählen uns von ihrer Tätigkeit als Beedi Roller(bestimmte Zigaretten) und den Latrinen, die sie gebaut bekommen haben.

Später besuchen wir einen kleinen Laden, in dem Götter- Reliefs gebastelt werden und man uns auffordert den stolzen Besitzer vor einem Gemälde zu fotografieren.



Etwas müde stehen wir mit gefühlten 10000 anderen in einem Bus, steigen aus, laufen vorbei an Kühen.

und Kindern, die einen bunt dekorierten Eiswagen ziehen, und treten ein in eine andere Welt, ein kleines Deutschland in Indien.

10 Minuten Fußweg von uns entfernt gibt es einen Café Coffe Day, einen indischen Starbucks, mit allem was das ans Café-trinken-gehen gewöhnte Herz bedarf. Von den Sofas, dem Cappuccino mit Herz auf dem Milchschaum, der Ungezwungenheit der indischen Jeans tragenden Jugendlichen waren wir in dem Moment faszinierter als von mit Telefon in der Hand Strommast hoch kletternden oder uns im Bus indische Liebeslieder vorsingenden Indern.


Mittlerweile denken wir, das uns umgebene Indien zu kennen, und beginnen nun auch das zweite Indien für uns zu entdecken, was viele Unterschiede zum ersten und nicht viele zu unserem deutschen Leben aufweist.

Mangalore ist modern, wird moderner, die Dörfer bleiben traditionell, wir wohnen dazwischen und erleben beides.

Wir sehen Mädchen mit kurzen Röcken, Shopping Malls mit westlichen Kleidern, uns bekannten Büchern und modernen Kinos
und dann besuchen wir Devaki, eine selbstbewusste Schneiderin, die ohne Strom näht während sie uns ihre Lebensgeschichte erzählt, suchen ihre Toilette in der Scheune auf, wo Wasser aus einer großen Tonne geschöpft wird, und erfahren, dass sie nur ein Jahr zur Schule gehen durfte, um danach Feuerholz für die Arbeit ihres Vaters, eines Alkoholikers, sammeln zu können und Beedis zu rollen.

Wir sehen Werbung zum Mäntel Kaufen, westlich Studieren, zum Abnehmen
und dann werden von unserer Mentorin gefragt, ob in Deutschland alle dünn sein, weil sie so viel Honig essen würden, oder warum wir die Aussagen: „Im Sari siehst du schön, intelligent und fett aus“ und „Du hast aber viele Pickel!“ nicht höflich finden.

Wir unterhalten uns mit der Tochter des Chefs in einem guten Englisch über Themen wie Hollywood und shoppen
und dann bringen unseren Mitarbeitern bei unserem neu eingeführten wöchentlichen Englischunterricht Regeln wie „he,she,it das s muss mit“ bei, sehen Fehler auf englischen Werbeplakaten und in Büchern.


Wir erfahren, dass es in Mangalore Diskos gibt, und werden ermahnt vor 6h abends zurück zu sein.

Deralakatte liegt am Stadtrand, ein Bus bringt uns in das traditionelle, einer in das moderne Indien und uns faszinieren sie beide.



Mittwoch, 2. Dezember 2009

Alltag

Unser Alltag ist ein Alltag, der auf der einen Seite routiniert ist, aber auch immer wieder Überraschungen für sich bereithält. Jede Woche beginnt für uns mit dem Unterrichten in Englisch für die IT-Schüler in Deralakatte und Vittal. Wir sehen eine zufriedenstellende Entwicklung, auch wenn unsere Schüler manchmal ihre Sachen oder Hausaufgaben vergessen. Es macht sich aber auch bei uns etwas Traurigkeit breit, da wir die Klassen nur noch einen Monat haben. Noch weniger Zeit zum Unterrichten haben wir auch, weil jetzt die dritte Woche die IT-Literacy Kurse für Selbst-Hilfe-Gruppen Mitglieder stattfinden und unsere Schülerinnen den Frauen das Basiswissen über den Umgang mit Computern beibringen. So lernen die Frauen in einer Woche wie man den Computer an und ausschaltet, die Maus bedient, das Oeffnen von Dateien , das Schreiben auf Englisch und Kannada und die Anwendung von Excel.




Bei den monatlichen Treffen der Selbst-Hilfe-Gruppen koennen wir immer unsere Fragen ueber die Entstehung der Gruppe, Der Entwicklung der Gruppe und wie die Frauen von der Gruppe profitieren, stellen. Auch werden uns viele Fragen gestellt und wir bekommen Blumen, Kokosnusssaft oder andere nette Aufmerksamkeiten.
Manchmal koennen wir diese Treffen mit kleinen Ausfluegen verbinden, wie zu einer Kirche , zu der wir einen Berg hochwandern mussten ,einem leckeren Mittagessen bei unserer lieben Mitarbeiterin und Amma Pushpa oder auch einfach nur mit den interessanten Gespraechen mit Mr. Das, den wir gerne und viel ueber die indische Kultur, Maithri Trust und noch vielen anderen Themen ausquetschen.


Das woechentliche Staff-Meeting ist fuer uns immer sehr schoen, weil wir alle MitarbeiterInnen wiedersehen koennen. So wurden unsere Verlobung und auch eine Woche spaeter unsere Hochzeit an diesem Tag gefeiert. Es wird immer viel diskutiert und die letzten Wochen wurde der Midterm-Workshop organisiert, der in zwei Wochen in unserem Projekt fuer alle Freiwillige und deren Mentoren stattfinden wird. So gibt es eine Unterbringung/Reise-, Essens- und Logistik-Gruppe, in denen alles perfekt geplant wird und sich indischer und deutscher Planungsgeist vermischen.
Seit vier Wochen unterrichten wir auch unseren Weiberverein in Englisch und sind richtig stolz auf unsere motivierten Schuelerinnen. Zur Belohnung haben wir auch für alle Grießbrei mit Apfelmus gekocht, der aber für den indischen Geschmack nicht süß genug war :-)

Ein Tag in der Woche gehoert dann ganz den Fallstudien, von denen wir bis jetzt sechs Stueck hatten. Wir lernen viel ueber die Menschen und deren Schicksal und sind sehr froh darueber, dass die Frauen mit uns sehr offen ueber ihre Aengste, Probleme und Ihren jetzt gluecklichen Leben erzaehlen. Es ist schoen zu sehen, was Maithri den Menschen schon geboten hat und dass die Menschen Maithri sehr dafuer danken.










Unsere Kindergruppe entwickelt sich auch ganz prima. Sie machen immer mehr Fortschritte in Englisch, freuen sich tierisch auf unsere Spiele, Sportuebungen und auf das Basteln von Schiffchen, Memory , Postkarten oder Lesezeichen.




Der Sonntag gehoert dann UNS ganz alleine. Wir koennen ausschlafen, in Ruhe Waesche waschen, unser Zimmer aufraeumen , putzen und gemuetlich brunchen!!!!
Dazu kommen dann Ausfluege zu Kirchenfesten, bei denen wir bejubelt auf einem Thron(!!) sitzen und eine Rede halten und zum Meer, bei dem wir endlich die frische Meeresbrise spuehren koennen. Tripps nach Mangalore, wo wir alleine die Stadt fuer uns entdecken koennen und mit Sherel, der Tochter unseres Direktor, ins Kino und in die Shopping-Mall fahren. Oder wie letzen Sonntag, an dem wir shoppen waren und uns dann zur Belohnung einen Café bei „Café Coffee Day“ gegönnt haben.

Wir freuen uns jede Woche immer wieder auf das, was man Alltag nennt und auf das, was uns Neues erwartet und werden dabei nie enttäuscht.